Masking-Reihe: Maskieren
In einer Welt, die oft auf neurotypische Normen ausgerichtet ist, sehen sich viele Autist:innen mit der Herausforderung konfrontiert, ihre natürlichen Verhaltensweisen zu unterdrücken, um gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Dieser Prozess wird als "Masking" oder "Maskieren" bezeichnet und beschreibt das bewusste Unterdrücken von autistischen Verhaltensweisen, um sich in sozialen Situationen anzupassen und nicht aufzufallen. Doch was steckt hinter diesem Phänomen, und welche Auswirkungen hat es auf das Leben von Betroffenen?
Was ist Maskieren?
Maskieren ist ein komplexer und oft anstrengender Prozess, bei dem Autist:innen ihre natürlichen Verhaltensweisen unterdrücken oder verändern, um den Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Dies kann so weit gehen, dass Betroffene ihre Mimik, Gestik und sogar ihre Stress- und Emotionsregulation anpassen. Ein Beispiel ist das Unterdrücken von Stimming – spezifische Bewegungen, die zur Selbstberuhigung dienen – und das Ersetzen dieser durch subtilere Handlungen wie Spielen mit den Haaren oder Nägelkauen.
Ein zentraler Aspekt des Maskierens ist die ständige Selbstüberwachung. Viele Autist:innen entwickeln eine innere kritische Stimme, die sie ununterbrochen darauf hinweist, wie sie auf andere wirken könnten und was sie tun sollten, um normal zu erscheinen. Diese innere Stimme, die oft als „Maske“ bezeichnet wird, kann so dominant werden, dass sie den Alltag vollständig beherrscht.
Die Auswirkungen des Maskierens
Auf den ersten Blick mag das Maskieren Autist:innen helfen, sich in einer neurotypischen Welt zurechtzufinden und in sozialen Situationen eine gewisse Akzeptanz zu finden. Doch der Preis dafür ist hoch. Das ständige Anpassen und Unterdrücken führt nicht selten zu einem Gefühl der Entfremdung von sich selbst. Autist:innen berichten oft, dass sie sich durch das Maskieren von ihrer eigenen Identität losgelöst fühlen und sich nicht in der Lage sehen, ihre wahren Bedürfnisse und Gefühle zu spüren und auszudrücken.
Das ständige Maskieren kann zudem zu erheblichem Stress und Erschöpfung führen. Die permanente Selbstüberwachung und das Unterdrücken natürlicher Verhaltensweisen erfordern immense mentale und emotionale Energie, was langfristig zu einem autistischen Burnout oder anderen psychischen Belastungen führen kann.
Warum ist das Bewusstsein für Maskieren wichtig?
Das Verständnis und die Anerkennung des Maskierens sind entscheidend, um den Druck, den viele Autist:innen empfinden, zu verringern. Es ist wichtig, eine Gesellschaft zu schaffen, in der neurodiverse Verhaltensweisen akzeptiert und nicht als Abweichung gesehen werden. Nur so können Autist:innen die Unterstützung und das Verständnis erfahren, das sie benötigen, um authentisch leben zu können.
Für Autist:innen selbst kann das Erkennen und Reflektieren ihres Maskierens ein erster Schritt zu mehr Selbstakzeptanz und Wohlbefinden sein. Indem sie sich erlauben, ihre autistischen Merkmale nicht mehr zu unterdrücken, können sie lernen, auf ihre eigenen Bedürfnisse zu hören und ein authentischeres Leben zu führen.
Fazit
Maskieren ist ein weit verbreitetes, aber oft missverstandenes Phänomen, das tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben von Betroffenen hat. Es zeigt, wie stark der gesellschaftliche Druck ist, sich anzupassen und zu konformen. Doch es ist auch ein Aufruf, sich für mehr Inklusion und Akzeptanz einzusetzen, um allen Menschen – unabhängig von ihrer neurologischen Veranlagung – die Möglichkeit zu geben, sich frei zu entfalten.
Quellen:
Alaghband-Rad, J., Hajikarim-Hamedani, A., & Motamed, M. (2023). Camouflage and masking behavior in adult autism. Frontiers in psychiatry, 14, 1108110.
Miller, D., Rees, J., & Pearson, A. (2021). “Masking is life”: Experiences of masking in autistic and nonautistic adults. Autism in Adulthood, 3(4), 330-338.
https://neurodivergentinsights.com