Masking-Reihe: Kompensation
Maskieren ist eine bewusste oder unbewusste Strategie, die viele autistische Menschen anwenden, um sich besser in soziale Situationen einzufügen. Es beinhaltet das Nachahmen und Kopieren von Verhaltensweisen, um "allistische" (nicht-autistische) Erwartungen zu erfüllen. Obwohl diese Strategie es ermöglicht, sich in der Gesellschaft zu integrieren und mögliche soziale Hürden zu überwinden, geht sie mit erheblichen Kosten einher.
Was ist Kompensation?
Kompensation im Kontext des autistischen Maskierens bedeutet, Verhaltensweisen und Ausdrucksweisen zu übernehmen, die im sozialen Umfeld als "normal" gelten. Diese Strategie kann unterschiedlichste Formen annehmen:
Erstellen von Skripten für soziale Situationen: Viele autistische Menschen bereiten sich intensiv auf bevorstehende Gespräche vor, indem sie Dialoge üben und verschiedene Szenarien durchspielen. Diese Skripte dienen als Sicherheitsnetz, um Unsicherheiten zu minimieren und unerwartete Wendungen in Gesprächen zu meistern.
Nachahmung und Wiederholung: Ein weiteres Merkmal der Kompensation ist das genaue Wiederholen von Phrasen und Verhaltensweisen, die von anderen vorgelebt werden. Diese Methode hilft, in sozialen Interaktionen zurechtzukommen, kann jedoch die eigene authentische Ausdrucksweise einschränken.
Beobachtung und Nachahmung: Autistische Menschen, die maskieren, zeichnen sich oft durch eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe aus. Sie analysieren und prägen sich Verhaltensweisen aus ihrer Umgebung ein – sei es aus Filmen, TV-Shows oder realen Interaktionen – und integrieren diese in ihr eigenes Verhalten.
Üben von Mimik und Körpersprache: Um unauffällig zu wirken, wird die eigene Mimik und Körpersprache oft akribisch geübt und angepasst. Dies erfordert immense Anstrengung und kann zu einem Gefühl der Entfremdung von der eigenen Person führen.
Die Kehrseite der Medaille
Obwohl die Kompensation autistischen Menschen hilft, in einer allistischen Welt zu bestehen, birgt sie auch erhebliche Risiken:
Erschöpfung: Das ständige Bemühen, den Erwartungen anderer zu entsprechen, kann zu tiefer Erschöpfung führen. Autistische Menschen investieren enorme mentale Energie in diese Anpassung, was langfristig zu einem autistischen Burnout und emotionaler Erschöpfung führen kann.
Verlust der Authentizität: Durch das ständige Nachahmen und das Verlassen auf vorgefertigte Skripte geht oft die eigene, authentische Ausdrucksweise verloren. Dies kann das Gefühl der Isolation und des Unverständnisses gegenüber sich selbst und anderen verstärken.
Stress und Angst: Obwohl die Kompensation helfen kann, soziale Ängste kurzfristig zu lindern, kann sie langfristig den Stress erhöhen, da ständig die Gefahr besteht, in unvorhersehbare oder nicht vorbereitete Situationen zu geraten.
Fazit
Masking beinhaltet komplexe Mechanismen, die sowohl Schutz als auch Belastung darstellen. Während sie es autistischen Menschen ermöglichen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die nicht für sie gemacht ist, kostet sie einen hohen Preis: den Verlust der Authentizität und die ständige Gefahr der Erschöpfung. Es ist daher entscheidend, diese Strategien zu erkennen und einen bewussten Umgang damit zu finden, um langfristig psychisches Wohlbefinden zu fördern.
Quellen:
https://neurodivergentinsights.com
Leaf, J. B., Creem, A. N., Bukszpan, A., Hickey, J., & Hillhouse, B. (2023). On the Status and Knowledge of Camouflaging, Masking, and Compensatory Behaviors in Autism Spectrum Disorder. Education and Training in Autism and Developmental Disabilities, 58(3), 283-298.
Miller, D., Rees, J., & Pearson, A. (2021). “Masking is life”: Experiences of masking in autistic and nonautistic adults. Autism in Adulthood, 3(4), 330-338.