Autistisches Burnout
Seit den 1990er Jahren rückt das Konzept der Neurodiversität zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit und Forschung. Dabei wird immer deutlicher, dass autistische Menschen häufig auf besondere Herausforderungen stoßen, die ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden erheblich beeinflussen können. Permanente Überforderung und eine Welt, die nicht auf die Bedürfnisse neurodivergenter Personen ausgerichtet ist, können zu einem sogenannten “autistischen Burnout” führen - ein Zustand, der im akademischen und klinischen Bereich bisher wenig Beachtung fand, jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben von Menschen im Autismus-Spektrum haben kann.
Was ist ein autistisches Burnout?
Das autistische Burnout ist ein Zustand chronischer Erschöpfung, der mit einem Verlust von (kognitiven) Fähigkeiten und einer verminderten Reiztoleranz einhergeht (Raymaker et al., 2020). Diese Form des Burnouts entsteht durch langanhaltenden Stress und ein Missverhältnis zwischen den Erwartungen an die Betroffenen und ihren tatsächlichen Fähigkeiten, wodurch sich das autistische Burnout von einem “herkömmlichen” Burnout oder einer Depression unterscheidet. Dieser Zustand kann zu erheblichen Einschränkungen in der Lebensqualität, der Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung und sogar zu suizidalen Gedanken oder Verhaltensweisen führen, die nicht darin begründet liegen, dass Betroffene “faul” sind oder sich nicht “anstrengen” wollen, sondern in einer konstanten Überlastung ihren Ursprung finden (Raymaker et al., 2020).
Riskofaktoren
Autistische Menschen verwenden häufig “Masking”, indem sie unbewusst oder bewusst autistische Verhaltensweisen verdecken, um gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Die permanente, oft jahrelange Anpassungsleistung und damit verbundene Anstrengungen erhöhen das Risiko für ein autistisches Burnout. Die Folgen sind nicht nur körperliche und geistige Erschöpfung, sondern auch ein Verlust wichtiger Alltagsfähigkeiten und eine erhöhte Anfälligkeit für sensorische Überlastung bzw. Reizüberflutungen und damit verbundene “Shutdowns” oder “Meltdowns”, die sich wiederrum langfristig negativ auf die psychische Gesundheit von Autist:innen auswirken.
Strategien zur Prävention und Bewältigung
Um ein autistisches Burnout zu vermeiden oder zu lindern, ist es von besonderer Bedeutung, die eigenen und spezifischen Bedürfnisse und Grenzen zu kennen bzw. anzuerkennen. Als hilfreich haben sich dabei vor allem Akzeptanz und soziale Unterstützung durch das Umfeld, eine Reduktion von Erwartungen an Autist:innen bzw. die Anpassung dieser Erwartungen an die tatsächlichen Bedürfnisse sowie das “Erlauben”, Fördern und Ausleben authentischer, autistischer Verhaltensweisen (reduzierte Verwendung von “Masking”) erwiesen (Raymaker et al., 2020).
Fazit
Das Verständnis für die Einzigartigkeit und die besonderen Herausforderungen von autistischen Menschen ist essenziell, um ihnen die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen. Das autistische Burnout ist eine ernstzunehmende Problematik, die spezifische Maßnahmen zur Prävention und Bewältigung erfordert.
Quelle:
Raymaker, D., Alan, R., Steckler, N., Lentz, B., Scharer, M., Delos Santos, A., Kapp, S., Hunter, M., Joyce, A. & Nicolaidis, C. (2020). ‘‘Having All of Your Internal Resources Exhausted Beyond Measure and Being Left with No Clean-Up Crew’’: Defining Autistic Burnout. Autism in Adulthood, 2(2), 132-143.